Orientierung an individuellen Lern- und Lebensbedürfnissen eines/r jeden/r einzelnen Schüler:in

Die Schüler:innen unserer Schule bringen die unterschiedlichsten Stärken und Schwächen mit. Während es dem/der eine:n noch schwer fällt, auf dem eigenen Stuhl sitzen zu bleiben, der/die andere bereits etwas über Buchstaben und Zahlen weiß, kann der/die Dritte sich kaum selbst auf den Füßen oder selbständig seinen Kopf halten. Der/die eine braucht viele Pausen, der/die andere beständige Anregung; der/die eine will Ruhe, ein/e andere/r hält Stille kaum aus. Die Unterschiedlichkeit der SchüleriInnenpersönlichkeiten und ihre verschiedenen Handicaps erzeugen vielfältige Bedürfnisse, Interessen, Erfahrungen, Ansprüche und machen eine individuelle Ausrichtung des Unterrichts unerlässlich.


Individuelle Entwicklungsförderung (Erstellung individueller Förderpläne)

Um der Unterschiedlichkeit der Schüler:innen gerecht zu werden, wird für jede/n einzelne:n ein eigener Förderplan erstellt. Gemeint ist ein Konzept, nach dem anknüpfend an das, was der/die jeweilige Schüler:in als Ausgangsfähigkeiten mitbringt, Schritt für Schritt dessen Möglichkeiten und Fähigkeiten ausgebaut werden. Die Förderung erstreckt sich über alle Bereiche wie Sozial- und Emotionalverhalten, Lern- und Arbeitsverhalten, Sprache und Kommunikation, Wahrnehmung, Motorik, Lebenspraxis, aber auch kognitive Lernbereiche. Dabei werden die Ziele auf sehr konkreter Ebene angegangen. Soll etwa die Selbständigkeit eines/r Schülers:in gefördert werden, erhält diese/r beispielsweise für einen längeren Zeitraum eine regelmäßig zu erledigende Aufgabe, die ihn/sie zwar herausfordert aber nicht überfordert. In der Praxis kann das für den/die eine/n Schüler:in bedeuten, dass er/sie lernt, selbständig die tägliche Anwesenheitsliste der Klasse zu führen. Für eine/n andere/n Schüler:in kann die Lernaufgabe sein, mehrmals täglich eine Karaffe mit zunehmender Selbstständigkeit zum Trinkwasserspender und zurück zu tragen. Der Erfolg der Arbeit wird regelmäßig überprüft. Ziele werden bei Bedarf variiert, erweitert oder – wenn erreicht – neu gesteckt.


Klassische Fächer wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Lernen von Alltagsfertigkeiten

Auch in unserer Schule findet der Unterricht im Rahmen des klassischen Fächerkanons statt, wie man ihn aus anderen Schulen kennt. Dennoch sieht der Unterricht über weite Strecken anders aus.
Viele Lernsituationen werden von außen oft nicht als solche wahrgenommen, etwa ein/e Schüler:in sitzt auf dem Flur und zieht sich in langsamem Tempo seine/ihre Schuhe an, Schüler:innen waschen sich die Hände, die Klasse sitzt beim Frühstück, Schüler:innen steigen in den Bus zum wöchentlichen Einkauf. In all diesen Alltagssituationen steckt eine Fülle von Lernanlässen, die die Lehrer:innen aufgreifen, in Lernschritte gliedern und systematisch an die Schüler:innen herantragen, damit diese Alltagsverrichtungen einüben und selbständig werden. Der Förderung der Lebenspraxis und der Selbstständigkeit in Alltagsverrichtungen messen wir in unserer Schule eine wesentliche Bedeutung bei.
Lesen ist Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Zahlen, Mengen und Größen sind Basis zur Orientierung in der Umwelt. Dieser Grundlage fühlen auch wir uns verpflichtet. Entsprechend bereiten wir die Inhalte der sogenannten Kulturtechniken so auf, dass sie soweit eben möglich auch an unserer Schülerschaft herangetragen werden können.
Für den Leseunterricht bedeutet das, dass wir nach dem erweiterten Lesebegriff vorgehen, nach dem das Lesen auf unterschiedlichen Stufen stattfindet. So werden zunächst Situationen und Bilder „gelesen“, dann Piktogramme und Ganzwörter, bevor es zum Lesenlernen im engeren Sinne geht. Der Leseunterricht kann demnach sowohl gänzlich ohne einen Buchstaben oder ein Wort stattfinden, aber auch klassisch mit Buchstabentafeln, kleinen Lesetexten und Tafelkreide. Viele unserer Kinder lernen Lesen, nur manchmal dauert es, ihrer Persönlichkeit angemessen, länger als in der allgemeinen Schule.
Gleiches gilt für den mathematischen Bereich, in dem die komplexen Zusammenhänge aus Mengen, Zahlen, Größen wie Masse, Volumen, Zeit, Geld elementarisiert, vereinfacht, Schritt für Schritt, auf konkreter Ebene und handlungsorientiert vermittelt werden. Jedem/r Schüler:in werden individuell angepasste mathematische Lernangebote gemacht.


Berufsvorbereitung

Die Berufspraxisstufe eröffnet den Schüler:innen einen Blick auf das Leben nach der Schule.
Dabei dient der wöchentliche Berufspraxistag in den verschiedenen berufsvorbereitenden Bereichen wie beispielsweise Nahrungszubereitung, Wäschepflege, Holz- und Metallbearbeitung der Vorbereitung auf die Arbeitswelt. Ziel ist es, für jede/n einzelne/n Schüler:in eine Arbeits-/ Berufsperspektive zu entwickeln.
Das gleiche Ziel verfolgt das Schüler:innenpraktikum, das sowohl in der Werkstatt für Behinderte als auch auf dem ersten Arbeitsmarkt stattfinden kann. Auch die Schule bietet in ihrer Verpflegungsküche einige Praktikumsstellen an. Zwei Schüler:innenfirmen befinden sich derzeit im Aufbau.
Für einige Schüler:innen eröffnet sich die Möglichkeit, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu bekommen. Wenn dieses gelingt, unterstützt die Berufspraxisstufe diese Schüler:innen gezielt bei der Vorbereitung auf die Anforderungen dieser bestimmten Arbeitsstelle.
Schüler:innen mit Schwerstbehinderung, die in den oben genannten Bereichen nicht immer oder durchgängig mitarbeiten können, werden – wie später in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung – in festen Gruppen individuell gefördert.


Besondere Lernangebote

Für einzelne Schüler:innengruppen mit speziellen Lernbedürfnissen gibt es besondere Angebote, so zum Beispiel:
· Lerngruppen für die Schüler:innen mit Autismus-Spektrum-Störung, die nach dem TEACCH-Prinzip arbeiten
· Schwerstbehinderten-Lerngruppen, die den Schüler:innen vielfältige sensorische und motorische Anregungen bieten
· Tonarbeit, eine spezielle Förderung zur Persönlichkeitsentwicklung
· Trainingsraum mit Inselraum (soziale und emotionale Förderung)
· Judo
· WenDo
· Mädchen-AG und Jungen-AG
· Lesepalast, Lernangebot für besonders motivierte Schüler*Innen



Den Schüler*innenbedürfnissen angepasste Räume, Materialien, und Lernorte

Den besonderen Unterrichtsanforderungen folgend bietet unsere Schule zahlreiche besondere Fachräume wie Schwimmhalle, Turnhalle, Gymnastikraum, zwei Lehrküchen, Werkräume für Holz, Metall, Ton und kreatives Werken, Wäschepflegeräumlichkeiten, Computerraum, Snoezelenraum, Musikräume, Pflegeräume.
Unterrichtsmaterialien, die den Bedürfnissen der Schüler*innen und den Anforderungen der diversen Inhalte entsprechen, werden oft selbst erstellt. Sie zielen unter anderem auf Anschaulichkeit (Modelle, Puppen, Bilder), Übungsmöglichkeiten im handelnden Tun (z.B. besonderes Kochbuch, Aufgaben zum Sortieren, Zuordnen, Auffädeln), Erleichterung durch Hilfsmittel oder Anregung durch Stimulierung verschiedener Sinne ab. Bei der Erstellung wird stets darauf geachtet, dass sie sicher, handhabbar und motivierend sind.
Lernorte sind in unserer Schule keineswegs auf das Schulgebäude mit den zahlreichen Fachräumen beschränkt. Gelernt wird auch auf dem Schulhof (Fahrrad fahren, Geländespiele) und um das Schulgelände herum (Lauf AG, Unterrichtsgänge). Darüber hinaus finden wöchentlich Stadtfahrten nach Waltrop statt (Einkauf in den diversen Geschäften, Verhalten im Straßenverkehr). Lernorte sind zudem aber auch andere Schulen, Institutionen und andere öffentliche Einrichtung.


Kleine, überschaubare Lerngruppen

Um bei der Verschiedenartigkeit der Schülergruppen den einzelnen gerecht zu werden, bilden wir möglichst kleine Lerngruppen. Bei der Bildung von Lernanfängerklassen bemühen wir uns Klassengrößen von sechs bis acht Kindern nicht zu überschreiten. Höhere Klassen haben eine Größe von maximal 13 Schüler*Innen. Zudem können die Klassen in einzelnen Unterrichtsphasen in kleine Lerngruppen geteilt werden.


Den Schüler:innen angepasste Lernmethoden

Aus der Lernpsychologie ist bekannt, dass die Beachtung bestimmter Bedingungen das Lernen erleichtert und effektiver macht. Bei der Gestaltung unseres Unterrichts achten wir daher durchgehend auf Einhaltung dieser Bedingungen, sogenannte Lernprinzipien, um möglichst erfolgreiche und nachhaltige Lernprozesse bei unseren Schüler:innen in Gang zu setzen. Im Nachfolgenden sollen die wesentlichen Unterrichtsprinzipien kurz verdeutlicht werden:


Handlungsorientierung

„Learning by Doing“ – Lernen im handelnden Umgang mit den Dingen – beschreibt dieses Prinzip treffend. So lernen unsere Schüler:innen das Einkaufen, indem sie tatsächlich ins Geschäft gehen und einkaufen. Auch in den Lese- oder Rechenunterricht werden möglichst viele Aufgaben, bei denen die Schüler:innen handelnd tätig werden, eingebaut.


Lernen am konkreten Gegenstand / Lernen vor Ort

Dieses Prinzip ist eng mit dem o.g. verbunden, betont dabei zudem noch die Forderung, den Lerngegenstand in seinem Alltagszusammenhang begreiflich zu machen. Neben dem bereits erwähnten Einkauf, der vor Ort getätigt wird, erfordern sachunterrichtliche Themen wie zum Beispiel „Feuerwehr“ oder „Zeitung“ den realen Besuch der Feuerwehr bzw. einer Zeitungsredaktion.


Bewegungsorientierung

Hier geht es nicht nur um Aktivierung im Sinne der Handlungsorientierung oder sich Bewegen unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsförderung sondern auch um die Umsetzung der Erkenntnis, dass Bewegung Gelerntes sichert und verankert. So wird durch Nachlaufen der Form eines Buchstabens nicht nur dessen Form besser wahrgenommen und verinnerlicht. Auch das sich Bewegen im Prozess des Lernens hilft Aufgenommenes besser zu behalten.


Ganzheitlichkeit

Nach dem Prinzip der Ganzheitlichkeit werden Inhalte nicht in Einzelteilen nebeneinander sondern stets im Sinnkontext vermittelt. Um diesem Prinzip gerecht zu werden, achten wir darauf, den Schülern stets den Gesamtzusammenhang eines Lernbereichs mitzuliefern. Die Uhr kennen zu lernen und das Ablesen von Uhrzeiten einzuüben erfolgt demnach stets in Verbindung mit der Orientierung im Tagesablauf und dem Erfahren und Bewusstmachen von Zeitspannen wie etwa eine halbe Stunde entspricht etwa einer Pausenlänge.
Zudem wird im Sinne des Pädagogen Pestalozzi angestrebt, die Bereiche „Kopf, Herz und Hand“ gleichermaßen zu beteiligen. So werden in einem Lernbereich die Lernziele nicht nur auf kognitiver Ebene sondern auch auf emotionaler und praktischer Ebene verfolgt.


Anschaulichkeit / Einbezug aller Sinne

Anschaulichkeit heißt, den Unterrichtsstoff so darzubieten, dass die Schüler:innen ihn mit Hilfe ihrer Sinnesorgane und gemäß ihrer Auffassungsgabe erkennen können. Inhalte müssen demnach so vermittelt werden, dass sie dem Erfahrungshorizont und den Lernkanälen der jeweiligen Schülerschaft entsprechen. Sehen, Hören, Fühlen, Handeln – alle Bereiche müssen angesprochen werden. Umgehen mit realen Gegenständen, Bildern, Modellen; Experimentieren; (Nach-)Spielen zählen zu den grundlegenden Unterrichtsaktionen, die der Anschauung dienen.


Elementarisierung

Da für die Möglichkeiten unserer Schüler:innen viele Inhalte zu umfassend und kompliziert sind, müssen diese im Hinblick auf die konkreten Fähigkeiten einer bestimmten Schüler:innengruppe gegliedert, aufbereitet und sachlich korrekt vereinfacht werden. Die wesentlichen Elemente werden dann den Schüler:innen nahe gebracht.


Kleine Schritte / Übung und Festigung

Unterrichtsinhalte werden gleichermaßen in kleinen Schritten nach und nach von leicht nach schwer im Unterricht angeboten. Zudem müssen diese geübt, variiert und wiederholt werden.


Vielfalt von Arbeits- und Sozialformen (Rhythmisierung)

Stetige Wechsel von Arbeitsformen und Sozialformen helfen unaufmerksame, konzentrationsschwache und unruhige Schüler:innen immer wieder aufs Neue anzusprechen, zu motivieren und auf das Unterrichtsthema auszurichten. Beispielsweise wechseln das Klassengespräch im Stuhlkreis mit Einzel- oder Partner:innenarbeit an den Schüler:innentischen, ebenso Lehrer- oder Schüler:innendemonstration vor der ganzen Gruppe mit Stationsarbeit, bei der sich jede/r Schüler:in einzeln von Aufgabe zu Aufgabe durch die Klasse bewegt.